Gendertheorie

King Kong Theorie : das schonungslose feministische Manifest der subversiven französischen Autorin Virginie Despentes.

Ein Beitrag von Marie Tréfou über die King Kong Theorie

In ihrem Buch King Kong Theorie ​(Despentes, 2018)​ bespricht Virginie Despentes unterschiedliche gesellschaftliche Themen wie Vergewaltigung, Prostitution und Pornographie. Sie beobachtet und analysiert und rückt dabei ohne Umschweife das kulturelle Unterdrückungssystem ins Licht, ohne sich zu entschuldigen. Mit ihrem ungeschminkten Wortschatz und ihrem Freimut, den sie aus der Punk-Rock-Kultur geerbt hat und auch von anderen einfordert,  untersucht sie das politische und kulturelle Herrschaftssystem und die Fragen der Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen. Sie zeigt uns den Platz in der Gesellschaft und im politischen und medialen Leben, der Frauen im Allgemeinen zugewiesen wird.

King Kong Theorie von Virginie Despentes aus dem KiWi-Verlag
Virginie Despentes‘ King Kong Theorie ist im KiWi-Verlag erschienen.

Die Dekonstruktion des Bildes einer perfekten Frau

Die Autorin fängt damit an, den gesellschaftlichen Konsens anzuprangern, dass eine Frau schön aussehen solle oder sich wenigstens bemühen, schön auszusehen. Frauen werden ständig an ihren Körper erinnert und darauf reduziert. Das trägt dazu bei, dass sie daran gehindert werden, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Despentes spricht von einer kulturellen und politischen Ordnung. Das Aussehen der Frauen unterliegt einer Kontrolle und diese Kontrolle wird derart verinnerlicht, dass nicht nur die Männer den Körper der Frauen beurteilen, sondern auch Frauen selbst ihr Aussehen gegenseitig kontrollieren. Die perfekte Frau sollte schön aussehen, um den Männern zu gefallen. Dazu soll sie diskret bleiben, still und leise. Frauen haben die kulturellen Zwänge so sehr verinnerlicht, dass sie sich selbst beschränken. Die systematische Unterwerfung der Frauen trägt auch dazu bei, dass sie kaum in der Politik vertretet sind. Ihre Worte werden weniger ernst genommen, als die von Männern. Da sie anfangen, in der Politik ein bisschen mehr Gewicht zu bekommen, sollen sie die Männer beruhigen, der Gestalt, dass sie sich den an sie gestellten Erwartungen unterwerfen.

King Kong Theorie

Die gewünschte Gleichgerechtigung wird von der männlichen Herrschaft zum Schweigen gebracht. Das kulturelle System dient dazu, die Frau zu schwächen und ihr Wort abzuwerten. Die Vergewaltigung ist ein Hauptelement im Buch von Virginie Despentes. Es werden meistens Frauen vergewaltigt. Die Autorin bezeichnet das weibliche Geschlecht als Geschlecht der Angst. Die Vergewaltigung wird in der Gesellschaft als etwas Außergewöhnliches dargestellt, während sie tatsächlich konstitutiv ist. Sie wird mit einer Kriegsstrategie verglichen und gilt als Machtinstrument, um die männliche Herrschaft zu sichern. Dazu wird die weibliche Unterwerfung durch das Schuldgefühl verstärkt, das das Opfer empfindet. Neben der Vergewaltigung beobachtet Despentes andere Unterwerfungsmechanismen. Im öffentlichen Raum werden die Frauen ständig daran erinnert, an ihrer Stelle zu bleiben und keine „männlichen“ Züge, wie Selbstbewusstsein, Macht oder feste eigene Meinungen, zu zeigen. Die Frauen, die den gesellschaftlichen Kriterien des Annehmbaren nicht entsprechen (wie z.B. Prostituierte oder Pornoschauspielerinnen) werden sozial ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht: Sie sollen ein Objekt der Begierde bleiben, stumm und unbeweglich, nur anwesend, um betrachtet zu werden.

Die Umkehrung eines Denksystems

Im Buch bringt Virginie Despentes eine neue Perspektive ans Licht, die manchmal schockieren kann. Sie macht neue Aussichtsvorschläge, und stellt sie den LeserInnen zur Verfügung, die sich dann ihre eigene Meinung bilden können. Zunächst einmal kehrt sie als Gedankenspiel die Machtbeziehung in der Prostitution um: Die Prostitution, wenn sie unter guten Bedingungen stattfindet, kann eine Freiheit sein, eine Rückeroberung seines eigenes Körpers. Sie sollte entdämonisiert und legalisiert werden, um den Prostituierten gute und gesunde Arbeitsbedingungen anzubieten. Die Autorin betrachtet die Prostitution, als eine Arbeit, die es den Frauen ermöglicht, einen Vorteil aus ihrer Unterwürfigkeit zu ziehen.

Darüber hinaus kann die Prostitution, wenn sie freiwillig ist, für manche Vergewaltigungsopfer eine Art Therapie ermöglichen: Wenn ich meinen Körper und seine weiblichen Attribute verkaufen kann, bedeutet es, das die Vergewaltigung den Wert meines Körpers nicht beschädigt hat. Über die Vergewaltigung stützt sie sich noch auf das Buch Vamps and Tramps ​(Paglia, 1994)​ der Amerikanerin Camille Paglia, die behauptet, die Vergewaltigung sei ein Risiko, das jede Frau bereit sein sollte, einzugehen. Die Frauen leben nämlich in einem feindlichen Milieu, in dem sie benachteiligt sind. Wenn sie frei sein wollen, müssen sie sich darüber bewusst sein, was sie draußen bedroht. Diese Ansicht ermöglicht es, die Vergewaltigung zu entdramatisieren und vor allem, das Schuldgefühl des Opfers zu lösen, da dieses es gewagt hat, frei zu sein, obwohl es unter dem feindlichen Unterdrückungssystem leiden sollte.

Am Ende versucht Virginie Despentes die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Mechanismen der weiblichen Unterdrückung sichtbar zu machen. Obwohl sie all diese Mechanismen anprangert gibt sie zu, dass sie sich selbst einige Male freiwillig geschwächt hat, um gesellschaftlich angenommen zu werden. Trotz allem verteidigt sie die weibliche Eigenständigkeit und fordert die Freiheit der Frauen, unter anderem durch die sexuelle Befreiung. Sie schafft das Bild neuer Frauen, einzigartiger Frauen, die sich nicht auf ein paar gemeinsame Züge reduzieren lassen. In ihrer Überlegung befasst sie sich auch mit der Frage der Maskulinität und schließt daraus, dass die Männer unter diesem System auch leiden, obwohl sie im Vergleich zu den Frauen viele Vorteile haben. Es wäre also für beide Geschlechter von Vorteil, diese gesellschaftliche Ordnung neuentwickeln zu lassen.

Diesen Artikel zitieren: Marie Tréfou: „King Kong Theorie: das schonungslose feministische Manifest der subversiven französischen Autorin Virginie Despentes.“?“. In: m*w, Januar 28, 2020, https://msternchenw.de/king-kong-theorie-das-schonungslose-feministische-manifest-der-subversiven-franzoesischen-autorin-virginie-despentes.

Referenzen

  1. Despentes, V. (2018) King Kong Theorie. Köln: Kiepenheuer und Witsch.
  2. Paglia, C. (1994) Vamps and Tramps. New York: Random House.

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