Gender

Genderfragen gehen jeden an. Sie sind Teil des Alltags sowie Politikum und sie haben unter anderem mit dem Gender-Sternchen Einzug in unsere Sprache erhalten. Wir machen uns gerne über Gender lustig, lachen über „typisch“ männliche und „typisch“ weibliche Verhaltensweisen. Wir kaufen unseren Söhnen bewusst Puppen und ärgern uns, wenn unsere Töchter nicht als solche erkannt werden, sobald sie (mal) nicht rosa tragen. Jeder von uns hat eine Meinung dazu, jeder verbindet bestimmte Emotionen mit allem, was dazu beiträgt, dass Geschlechter-Rollen gesellschaftlich geprägt werden. Aber…

Was meinen wir von m*w genau, wenn wir „Gender“ sagen?

Zwei Fragen interessieren uns ganz besonders: Welche Gender-Stereotype beherrschen unsere Kultur eigentlich? Und welche Bewertungen gehen mit diesen Rollen einher. Um diese Fragen beantworten zu können, haben wir uns durch einige kulturwissenschaftliche Texte zum Thema gewühlt und daraus ein abstraktes Modell entwickelt, das so aussieht:

Und das steckt drin:

Gleichheitsfeminismus, Differenzfeminismus, Männlichkeitsstudien und Gender Studies – es gibt so einige Denkrichtungen, in denen das Thema Gender eine große Rolle spielt und in den diversen Ansätzen werden ganz unterschiedliche Ansichten vertreten. Mal stehen Machtstrukturen im Vordergrund, wie bei Theorien zur hegemonialen Männlichkeit (wie z. B. bei Bourdieu), andernorts rückt die Idee ins Zentrum, dass die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ nur in Relation zueinander existieren (z. B. bei Beauvoir und Simmel) und in wieder anderen Studien stehen analytische Betrachtungen im Fokus (z. B. bei Butler). Die meisten Kategorisierungen lassen sich allerdings auf zwei grundlegende Aspekte zurückführen. Gender hat mit Handlungen zu tun (Machtausübung, Wiederholung von Rollenmustern, Vorgeben gesellschaftlich akzeptierten Auftretens) und mit dem Sein (Annehmen der vorherrschenden Strukturen, Zuschreibungen durch eine Person selbst oder andere). Und dann gibt es sehr viele ziemlich klare Rollenvorgaben, die zumindest für die weibliche Seite von Simone de Beauvoir sehr ausführlich in einer Typologie erfasst wurden.

Modell und Analyse

Das hier vorgestellte Modell ist abstrakt, unvollständig und vorläufig. Denn zum jetzigen Zeitpunkt sagt es nicht viel darüber aus, wie Gender in der Literatur dargestellt werden kann. Also ganz konkret: Welche Wörter werden benutzt, um literarische Figuren einer Geschlechtskategorie zuzuordnen? Wenn du dich jetzt fragst, warum wir dazu nicht einfach Personalpronomen benutzen, so ist dies eine kluge Frage, auf die wir allerdings schon vorbereitet sind. Personalpronomen sind einem binären System verhaftet, denn nur „er“ und „sie“ werden üblicherweise für Personen genutzt. Hierbei fehlt uns natürlich das Sternchen und damit alle Aspekte des Graduellen, der Möglichkeit für Abweichung und allem, was eine literaturwissenschaftliche Analyse sonst noch spannend machen kann. Abgesehen davon, wäre es schlichtweg zu einfach und würde keinerlei Einsichten in die Art und Weise der Genderbeschreibungen für uns bereit halten. Das Genus wird also strikt aus unserer Analyse herausgehalten.

Welche Worte und Wortarten, Phrasen und Passagen nun aber konkret für bestimmte Stereotype gebraucht werden können, werden wir im nächsten Schritt ausloten. Wir gehen natürlich davon aus, dass in den meisten Fällen Genderrollen nicht explizit benannt werden, indem Autor*innen z. B. „sie war Mutter“ oder sogar „er war eine öffentliche Person, sie eine Privatperson“ schreiben. Was wäre das für eine Literatur? Damit wir aber unser Modell in einer computergestützten Analyse auf literarische Texte anwenden können, werden wir weiter recherchieren, Theorien wälzen, unser Modell weiter verfeinern und schließlich die einzelnen Schritte unserer Analyse festlegen. Du darfst also gespannt sein, denn natürlich dokumentieren wir unsere Fortschritte hier.